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31. März 2017
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31. März 2017

Ludwig Heinrich Jungnickel

Ludwig Heinrich Jungnickel
(1881 – 1965)

Ludwig Heinrich Jungnickel ist am 22. Juli 1881 in Wunsiedel, Oberfranken geboren und am 14. Februar 1965 in Wien gestorben.
Ludwig Heinrich Jungnickel, der schon früh mit dem Malen anfing, hatte zwei Brüder und zwei Schwestern. Sein Vater war Berufssoldat und später Stationsvorsteher des Bahnhofs Wundsiedel Oberpfalz.
Im Jahr 1885 übersiedelte die Familie nach München. Dort besuchte Jungnickel die Kunstgewerbeschule. Nach dem Tod der Mutter reiste Jungnickel mit seinem Bruder im Jahr 1897 nach Rom und Neapel, wo die Brüder vom Verkauf von Jungnickels Bildern lebten. In Rom trafen sie den Prior des Stifts Tanzenberg (Kärnten). Dem Prior gefielen Jungnickels Arbeiten und er ermöglichte ihm eine Audienz beim damaligen Papst Leo XIII. Dieser erlaubte Jungnickel im Vatikan unter kundiger Anleitung von den dortigen Kunstwerken Kopien anzufertigen und zu verkaufen. (Quelle: Die Künstler der Klassischen Moderne in Österreich von Hand Dichand).




1898 kam Jungnickel nach Wien und studierte ab 1899 an der Akademie der bildenden Künste in Wien u.a. bei den Professoren August Eisenmenger, und Christian Griepenkerl und 1902 bei Alfred Roller an der Kunstgewerbeschule des k. k. Museums für Kunst und Industrie.
1905 ging Jungnickel nach München, um an der Akademie der bildenden Künste bei Professor Marr zu studieren.1906 kehre er an die Akademie der bildenden Künste in Wien zurück und studierte bei Prof. William Unger.
Ludwig Heinrich Jungnickel war mit Gustav Klimt befreundet. 1908 arbeitete er mit Gustav Klimt und Kolo Moser an der Ausschmückung des berühmten Palais Stoclet in Brüssel. Das Tierfries von Ludwig Heinrich Jungnickel kann durchaus neben den Arbeiten von Gustav Klimt und sonstigen Arbeiten im „Kunstwerk Palais Stoclet“ der Künstlerinnen und Künstler Carl Otto Czeschka, Leopold Forstner, Berthold Löffler, Richard Luksch, Elena Luksch Makowsky, Franz Metzner, Kolo Moser, Michael Powolny und Emilie Simandl-Schleiss bestehen. Dieser Tierfries war von Oktober 2016 bis Jänner 2017 in der Albertina in Wien in der Ausstellung „Der Farbholzschnitt in Wien um 1900“ zu sehen.

1911 wurde Ludwig Heinrich Jungnickel Professor an der Kunstgewerbeschule in Frankfurt/Main. 1912 übersiedelte er dann nach Wien.

Zu dieser Zeit hatte er sich schon als Tiermaler schon einen guten Ruf erworben.

Die Fabel mit ihren moralisierenden Inhalten war ihm eine willkommene Inspirationsquelle. Jungnickel beschreibt seine Beziehung zu Mensch und Tier mit den Worten:

 

Vor allem liebe ich natürlich die Menschen, nicht die verbildeten, kranken, dekadenten, unmenschlichen, sondern die Menschen, die naturhaft sind. Aus Mangel an solchen tritt bei mir aber das Tier an die Stelle, voll von den verschiedensten Temperamenten und Harmonien. Es ist ja auch der Mensch so etwas wie ein Übertier, ohne Kleid und Werkzeug geboren, mit Geist ausgestattet, mit dessen Hilfe er vieles Unmögliche möglich macht. Das Tier wird fertig geboren, mit Kleid und Werkzeug. Unerschöpflich in Technik, Schönheit und Musik, erbaulich und kraftspendend ist es erfrischend und verjüngend für den Menschen.



Herausragende Leistungen vollbrachte Jungnickel auf dem Gebiet des Farbholzschnitts. Ab 1905 entwickelte er auch eine spezielle Schablonenspritztechnik. Dabei legte er nacheinander für jedes Blatt mehrere Schablonen aus Karton auf, welche jeweils verschiedene Teile der Komposition frei ließen. Die verschiedenen Farben wurden durch ein feinmaschiges Gitter gebürstet, welche auf dem Papier in feine Punkte „zerstäubten“. Umrisslinien, wie sie beim Holzschnitt üblich sind, konnten so vermieden werden.
In den 1920er Jahren unternahm er zahlreiche Reisen, die ihn nach Deutschland, Holland, Italien und dem seinerzeitigen Jugoslawien führten. Der Künstler war jedoch nicht nur in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunders, sondern zeit seines Lebens viel unterwegs.


Jungnickels Frühwerk war geprägt durch seine Freundschaft mit Gustav Klimt und dem Wiener Jugendstil, später wandelte sich der Stiel dem Zeitgeist folgend in Richtung Expressionismus, was den 1938 an die Macht gekommenen Nationalsozialisten missfiel. Jungnickels Arbeiten wurden der „entarteten Kunst“ zugeordnet und verboten.
Ludwig Heinrich Jungnickel emigrierte nach Jugoslawien. In den Jahren, in welchen der Künstler in Dalmatien Zuflucht vor dem feindseligen Regime in Österreich fand, entstanden u.a. wunderbare Werke, welche eindrucksstark Wolken- und Wasserstimmungen und die Brandung des Meeres wiedergaben. Gezielt suchte er den Bildausschnitt aus und brachte jedes Werk in eine spannende Perspektive – sei es nun bei der Darstellung der am Felsen hochspritzenden Gischt und der sich brechenden Wellen oder des Farbenspiels der Sonnenauf- und –untergänge.
1941 stürzte die Regierung des Königreichs Jugoslawien durch einen Militärputsch. 1942 wurde Jungnickel von den Nationalsozialisten in dessen Abwesenheit wegen „staatsfeindlicher Betätigung“ angeklagt und aufgefordert, in Wien vor Gericht zu erscheinen. 1943 erhielt Jungnickel eine Aufforderung des Deutschen Konsulats zur Rückkehr nach Deutschland, welcher er nicht Folge leistete.
Er schrieb am 12. Juni 1943 seinem Künstlerkollegen Leopold Blauensteiner, dem damaligen Landesleiter der Reichskammer der bildenden Künste in Wien, dass er sich aus gesundheitlichen Gründen in Opatija aufhalten würde, da er u.a. an Herzasthma leide und viel frisches Obst, vor allem Zitronen, welche in der Heimat nicht zu bekommen seien, brauche (SpielvogelBodo, Jungnickel).


Die Nachkriegsjahre verbrachte Jungnickel, dessen Atelier in Wien im Krieg zerstört wurde, weiterhin in Opatija und er geriet, immer mehr von Geldsorgen geplagt, in die Isolation. Jungnickel war gezwungen, selbst gezeichnete Postkarten an Touristen zu verkaufen. Malutensilien waren schwer aufzutreiben. Oft behalf er sich u.a. mit dem rotgestreiften alten Leinen ausgedienter Liegestühle als Malgrund.



Erst im Jahr 1952 kehrte Jungnickel nach Österreich zurück. Die Neue Galerie am Landesmuseum Joaneum in Graz veranstaltete eine Jungnickel-Personalausstellung und in der Albertina in Wien wurde eine umfangreiche Schau mit seinen Werken gezeigt. (Ludwig Heinrich Jungnickel, Brandung, Licht & Wolken)


Ludwig Heinrich Jungnickel starb am 14. Februar 1965 und wurde auf dem Kalksburger Friedhof in Wien-Liesing beigesetzt.

Ludwig Heinrich Jungnickel war Mitglied in der Berufsvereinigung der bildenden Künstler Österreichs, im Künstlerhaus und im Hagenbund.


Sein Werk wurde mit vielen Preisen und Auszeichnungen geehrt.

1910 erhielt er den Graphiker-Preis auf der Internationalen Kunstausstellung in Rom
1911 die Goldene Medaille auf der Internationalen Kunstausstellung in Amsterdam

1914 die Staatsmedaille der Internationalen Ausstellung für Buchgewerbe und Grafik Bugra in Leipzig
1915 die Silber- und Bronzemedaille der Internationalen Ausstellung in San Francisco
1930 die Große Goldene Ehrenmedaille der Berufsvereinigung der bildenden Künstler Österreichs (damals Genossenschaft der bildenden Künstler Wien)
1930 & 1933 den Österreichischer Staatspreis für bildende Kunst

1952 den Preis der Stadt Wien für Malerei und Graphik
1956 den Goldener Lorbeer des Wiener Künstlerhauses

1964 wurde er Ehrenmitglied des Wiener Künstlerhauses.

Der Jungnickelweg in Wien Meidling und Liesing wurde nach dem Künstler benannt.

Eine Gedenktafel befindet sich in der Grünbergstraße 31 in Wien-Meidling und eine weitere Gedenktafel an seinem Geburtshaus in Wunsiedel.


Berthild Zierl
Präsidentin der Berufsvereinigung der bildenden Künstler Österreichs
Landesverband Wien, NÖ, Bgld.

www.zierlart.at


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Quellen:

Archiv der Berufsvereinigung der bildenden Künstler Österreichs, Schloss Schönbrunn
Die Künstler der Klassischen Moderne in Österreich von Hand Dichand, Propylän Verlag 1989, ISBN 3-549-05311-8
Ludwig Heinrich Jungnickel, Brandung, Licht & Wolken, Galerie 16, von Alexander Jesina anlässlich des 50. Todesjahres des Künstlers, ISBN: 978-3-902216-54-0
L. H. Jungnickel – Ein Leben für die Kunst von Ilse Spielvogel-Bodo. Verlag Johannes Heyn 2000, ISBN 3-85366-870-4
Ausstellung „Der Farbholzschnitt in Wien um 1900“, Albertina Wien, Dezember 2016
Auktionskatalog „Im Kinsky, Meisterwerke, 84. Auktion 2011“
Auktionskatalog „Im Kinsky, Klassische Moderne, 93. Auktion 2012“