Zahlreiche zeitkritische Grafiken Karl Wieners, welche während des zweiten Weltkrieges entstanden, zeugen vom Leid der kämpfenden Soldaten und der Zivilbevölkerung. Die Werke mit meist dunklen Inhalten zeugen auch von seiner schwierigen Situation als Zeichner, Grafiker und Sozialist in faschistischen Zeiten.
Der österreichische Grafiker Karl Wiener ist am 26. September 1901 in Graz geboren und am 29. April 1949 in Wien gestorben. (1)
Seine Mutter Maria Wiener geborene Kriebel war Hausfrau und sein Vater Friedrich Wiener arbeitete bei der Grazer Druckerei Typographia. Die Druckerei gehörte der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP), bei welcher er Mitglied war. Auch Karl Wiener war später Mitglied in der SDAP bis diese im Jahr 1934 aufgelöst wurde.
Karl Wiener besuchte von 1920 – 1926 die Landes-Oberrealschule in Graz. Danach arbeitete er zunächst als Bankbeamter in Graz und München, bis er im Jahr 1924 ein Kunststudium an der Landeskunstschule in Graz begann. Von 1926 bis 1931 studierte er an der Wiener Kunstgewerbeschule. Seine Professoren waren der Freskomaler, Grafiker und Designer Berthold Löffler (1874 – 1960), der Schriftgestalter und Grafiker Rudolf von Larisch (1866 – 1919) und der Maler und Grafiker Rudolf Jettmar (1889 – 1939). Zu dieser Zeit lebte er in einem Studentenheim im Schloss Schönbrunn.
Anlässlich seiner ersten Ausstellung im Jahr 1929 erhielt er die „Silberne Medaille der Stadt Graz“. Es folgten etliche Ausstellungsbeteiligungen und die Presse lobte den Künstler.
In den Jahren 1930 und 1935 ermöglichten Reisestipendien, dass Karl Wiener Deutschland, Schweden, Dänemark und Russland bereisen konnte. In Moskau gelang es ihm Werke an das Moskauer Museum für moderne Kunst und an das Museum der schönen Künste in Moskau zu verkaufen.
Ab 1937 hielt sich Karl Wiener ständig in Wien auf, konnte jedoch am Wiener Kunstmarkt nie richtig Fuß fassen.
Obwohl er mit der vorherrschenden Politik keinesfalls einverstanden war (was seine damaligen Arbeiten belegen), trat er 1938 der Reichskunstkammer der bildenden Künste bei. Eine künstlerische Existenz wäre damals ohne den Beitritt in die Reichskunstkammer gar nicht möglich gewesen. Erst durch den Beitritt durfte er an der „Anstalt für Erziehungsbedürftige“ in Kaiserebersdorf und danach an der Kunstgewerbeschule in Wien unterrichten. Er war jedoch nie NSDAP-Mitglied und wurde auch nie zum Wehrdienst eingezogen.
Karl Wiener gab in seinen künstlerischen Arbeiten seinem Widerstand gegen die politischen und gesellschaftlich vorherrschenden Zustände Ausdruck, obwohl dies nicht ungefährlich war. Zahlreiche zeitkritische Grafiken Wieners, welche während des zweiten Weltkrieges entstanden, zeugen vom Leid der kämpfenden Soldaten und der Zivilbevölkerung.
Auch in einigen Montagen gab er mit Schere, Klebstoff, Foto- und Textmaterial aus Zeitungen seinem Protest und wohl auch seinen Gefühlen Ausdruck. Diese Arbeiten wurden vermutlich erstmals 2011 in der Ausstellung „Verschollen im Museum – Der Künstler Karl Wiener“ im Wien Museum der Öffentlichkeit gezeigt. Vielleicht wäre früher für die mit Krieg und Grauen oder irritierend zur Schau gestellten weiblichen Genitalien bestückten Arbeiten die Zeit auch gar nicht reif gewesen.
Karl Wiener, Pourquoi, Collage 1940, 16,1 cm x 12,3 cm
Wien Museum Inv.-Nr. 250533/2, CC BY 4.0,
Foto: Birgit und Peter Kainz, Wien Museum, (https://sammlung.wienmuseum.at/objekt/28967/)
Als im Jahr 1945 sein Atelier ausgebombt wurde gingen viele seiner Werke verloren. Obwohl Kulturstadtrat Viktor Matejka ihm nach dem zweiten Weltkrieg unter die Arme griff gelang es Wiener nicht private Sammler für seine Werke zu begeistern. Er fand auch keine Galerie, welche seine Werke vertreten hätte.
Gemeinsam mit Otto Rudolf Schatz hatte er 1946 noch eine Werk- und Presseschau im Wiener Rathaus und er nahm an der Ausstellung „Niemals vergessen“ im Künstlerhaus teil. Die städtischen Sammlungen erwarben 12 seiner Werke aus den Mitteln der Kunstförderung. Weitere Erfolge blieben aber aus, was ihn immer depressiver werden ließ. Dieser Umstand dürfte im Jahr 1947 dann zur Kündigung seiner Stelle an der Kunstgewerbeschule geführt haben.
Zwei Jahre danach starb Karl Wiener verarmt am 29.04.1949 durch Einatmen von Leuchtgas.
In der zur Ausstellung „Verschollen im Museum – Der Künstler Karl Wiener“ herausgegebenen Broschüre heißt es, dass Wiener davor an Viktor Matejka, dem damaligen Kulturstadtrat geschrieben hatte: „Ich will vorwärtskommen – ich will etwas leisten!!! Entweder krepieren – oder: durchkommen. Aber oft bin ich am Rande der Verzweiflung – über diesen Millimeter-Kampf…über diese immer wieder auftauchenden, drückenden, mich und meine Arbeit zernagenden Geldnöte!!! Noch viel möchte ich Ihnen sagen, aber ich bin jetzt nicht imstande – ich bin zu sehr unter Druck“ (3)
Sein Nachlass kam durch eine Nachlasswidmung in den 1960er Jahren in die Sammlung des Wien Museums, wo er im Depot Jahrzehnte lang unbeachtet blieb.
Im Jahr 2001 wurden Werke von Karl Wiener in der Ausstellung „Moderne in dunkler Zeit in der Neuen Galerie Graz gezeigt.
Erst im Jahr 2011 zeigte das Wien Museum eine beeindruckende Ausstellung mit zeitkritischen Grafiken, Collagen und Porträtzeichnungen von Karl Wiener.
„Der Bestand ist stilistisch und thematisch heterogen: Sozial- und zeitkritische Agitationsgrafiken und Collagen finden sich ebenso wie Porträtzeichnungen oder beklemmende Zeugnisse psychischer Bedrängnis, “
kann man unter https://www.wienmuseum.at/verschollen_im_museum_karl_wiener in der damaligen Illustrierten zur Ausstellung „Verschollen im Museum – Der Künstler Karl Wiener“ nachlesen. (2)
Seither ist es wieder still um Karl Wiener geworden. Nur hin und wieder tauchen Werke des Künstlers in Ausstellungen auf, wie beispielsweise 2018 im Graz Museum anlässlich der Ausstellung „Im Kartenhaus der Republik. Graz 1918 – 1938“, einer Ausstellung in welcher die Zwischenkriegszeit in der Steiermark thematisiert wurde.
Berthild Zierl
Präsidentin der Berufsvereinigung der bildenden Künstler Österreichs
Landesverband Wien, NÖ, Bgld.
www.zierlart.at
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Quellen:
(1) Archiv der Berufsvereinigung der bildenden Künstler Österreichs
(2) https://www.wienmuseum.at/verschollen_im_museum_karl_wiener
(3) Illustrierte zur Ausstellung „Verschollen im Museum – Der Künstler Karl Wiener“, 2011