Gerhild Diesner zählt zu den bedeutendsten österreichischen Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts. Wichtige Impulse der französischen Impressionisten und Postimpressionisten aufgreifend entwickelte sie eine ganz persönliche, eigenständige Bildsprache.
Gerhild Diesner ist am 4. August 1915 in Innsbruck geboren und am 5. September 1995 gestorben. Ihr Vater, Rudolf Diesner, war Jurist und Beamter, ihre Mutter Maria Diesner geb. Pircher stammte aus Brixen.
Diesners Eltern erkannten das künstlerische Talent ihrer Tochter und ermöglichten ihr einen einjährigen Aufenthalt im Pensionat Beaupré bei Genf in der Schweiz.
Von 1935 bis 1937 studierte Gerhild Diesner in England an der Chelsea Art School in London und später in Brighton an der School of Art. Ihr wichtigster Lehrer und Förderer während ihres Aufenthalts in Brighton war der Maler Charles Knight (1901 – 1990). Auf Wunsch ihrer Eltern studierte Diesner von 1937 bis 1939 an der Akademie der Bildenden Künste in München bei Ernst Dombrowsky (1896 – 1985), Fritz Helmuth Ehmcke (1878 – 1965) und Emil Preetorius (1883 – 1973).
Mit Ausbruch des zweiten Weltkriegs stellte sich heraus, dass Gerhild Diesners Malstil nicht dem Kunstverständnis dieser Zeit entsprach und so arbeitete sie an der Technischen Hochschule in Dresden in einem Labor und analysierte Erdproben. 1941 verhalf ihr Max von Esterle, welcher einen Aktkurs am Kunsthistorischen Institut der Universität Innsbruck leitete und welchen Diesner besuchte, zu einer Beschäftigung am Tiroler Volkskunstmuseum. Ihre Arbeit bestand u.a. im Kolorieren von vorgezeichneten Trachtenmodellen. 1942 lernte sie den Bauunternehmer Josef Woerner aus München kennen, der ihr zu einem Studienaufenthalt in Paris verhalf und sie auch später förderte. Von 1943 bis 44 studierte sie in Paris bei André Lhote (der sich einen internationalen Ruf als einer der Mitbegründer des synthetischen Kubismus erworben hatte) und an der École de la Grande Chaumiere.
Andé Lhotes Einfluss ist in Diesners Werken deutlich spürbar und so schreibt auch Kirschl:
„Das Bild aus einem begrenzten Material an Formen und Farben aufzubauen, innerhalb dieser Beschränkung aber den ganzen Reichtum an Möglichkeiten der Abwandlung auszuschöpfen, das schied in Lhotes Augen den Künstler vom Dilettanten, der immer dazu neigt, zu viel und zu vieles auf einmal zu wollen. Wer sich mit den Bildern Gerhild Diesners näher befasst, wird bemerken, dass dieses Reichtumschöpfen aus Reduktion durch alle Wandlungen hindurch zu den Konstanten ihrer Kunst gehört.“
1944 kehrte Gerhild Diesner zurück nach Österreich, wohnte bei ihrer Mutter in Padaun, einem Hochtal in den Zillertaler Alpen in Tirol, (nahe dem Brennerpass) und arbeitete wieder im Tiroler Volkskunstmuseum. Von den in Paris gemalten Arbeiten hatte sie nur wenige mit nach Österreich mitgenommen. Viele ihrer Arbeiten hatte sie bei Freunden in Paris zur Verwahrung zurück gelassen und das meiste davon wurden vernichtet, da sie nach Kriegsende amerikanischen Besatzungssoldaten als Zielscheiben für Schießübungen dienten.
Nun lernte Gerhild Diesner Paul Flora (1922-2009), den Architekten Jörg Sackenheim und den Bildhauer und Goldschmied Bodo Kampmann kennen. Letzterer war der Sohn des deutschen Malers, Grafikers und Bildhauers Walter Kampmann (1887-1945).
1945 bezogen sie gemeinsam in Innsbruck ein Haus in der Schönherrstraße 9 am Saggen. Der Saggen, ein Stadtteil von Innsbruck, stellt mit seinen Villen ein beispielhaftes Gründerzeitensemble dar, welches heute unter Ensembleschutz steht.
Diesner malte nun häufig in der nächsten Umgebung ihrer Wohnung (in Saggen genauso wie etwas später als sie im Haus der späteren Frau von Paul Flora auf der Hungerburg lebte), da sie dort wunderbare Malmotive, Alleebäume, Wiesen, Wege und ausdrucksvolle Bauten vorfand.
1946 und in den darauf folgenden Jahren nahm Gerhild Diesner mit ihren Freunden an den Hochschulwochen in Alpach teil und lernte dort die Künstler Johannes Behler, Jakob Lederer und Werner Schloz kennen. Von der Landschaft um Alpach mit ihren einzigartigen Bergformen entstanden zahlreiche Bilder. Diesner nahm an Ausstellungen teil u.a. in der Neuen Galerie in Wien und an der von der Berufsvereinigung der bildenden Künstler Österreichs organisierten „Ersten großen Kunstausstellung nach dem zweiten Weltkrieg“ im Künstlerhaus. Ihr Stil veränderte sich von der anfänglich in einem längeren Arbeitsprozess reich gestuften und gesättigten Malerei immer mehr hin zu einer flächig dekorativen. Die Bildelemente wurden reduziert und die Komposition einfacher gestaltet.
Im Jänner 1949 heiratete Gerhild Diesner Bodo Kampmann. Mit ihm hatte sie zwei Kinder, am 20. Juni 1947 kam ihre Tochter Oivia und am 30. Juni 1952 ihr Sohn Nils zur Welt. Als ihr Mann wegen der in Tirol beschränkten beruflichen Möglichkeiten nach Remscheid zog, folgte sie ihm zwar, kehrte jedoch schon nach einigen Monaten nach Österreich zurück. Die endgültige Trennung ihrer Ehe erfolgte am 15. April 1955. Diesner lebte mit ihrem Sohn in Österreich, die Tochter Olivia blieb beim Vater Bodo Kampmann.
Ab den 1950er Jahren unternahm die Künstlerin häufig Reisen. Immer wieder zog es sie nach England, wo ihr Weg als Malerin begonnen hatte, an den Gardasee oder in die Toskana, später auch nach Portugal. Ihre Eindrücke hielt sie in Bildern fest.
In den 1950er und 1960er Jahren verwirklichte Gerhild Diesner gut ein Dutzend künstlerische Ausstattungen öffentlicher Bauten im Rahmen von “Kunst am Bau”. Die Wandbilder, welche Diesner im öffentlichen und halböffentlichen Raum machte sind in den verschiedensten Techniken ausgeführt:
Heitere Szenen mit Vögeln und sonstigen Tieren waren die häufigsten Themen der öffentlichen Aufträge.
Zu einigen dieser Arbeiten hatte ihr Max Weiler verholfen, den Diesner sehr schätzte. Über Weiler sagte sie:
“Von den Malern im Tiroler Raum steht mir vor allem Max Weiler nahe. Mich haben seine Bilder irgendwie gelöst. Er hat etwas Großzügiges und hat mir in den Formen gut getan, da ich in den Farben etwas zu stark und zu schwer in den Konturen war.”
Und Tatsächlich kann man beobachten, wie sich Diesners Stil in den 1970er Jahren wieder veränderte. Sie malte erneut mehrschichtig und häufig in freundlichen Farben.
Auszeichnungen
1994 musste Gerhild Diesner den tragischen Verlust ihres Sohnes Nils erleben. Ein Jahr später starb sie am 5. September 1995.
Viele Arbeiten von Gerhild Diesner befinden sich in privaten und öffentlichen Sammlungen, u.a. in der Österreichischen Galerie in Wien, im Museum der Stadt Wien, in der Albertina in Wien und im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum in Innsbruck.
Im Innsbrucker Stadtteil Arzl erinnert die Gerhild-Diesner-Straße an die Künstlerin.
Präsidentin der Berufsvereinigung der bildenden Künstler Österreichs
Landesverband Wien, NÖ, Bgld.
www.zierlart.at
Quelle:
Archiv der Berufsvereinigung der bildenden Künstler Österreichs, Schloss Schönbrunn, Ovalstiege 40
Gerhild Diesner von Wilfried Kirschl, 1979
Gerhild Diesner 1915-1995 von Matthias Boeckl, Kunstiniative Tirol, 2007